Mountainbike-Legende Karl Platt im Porträt: Der Tausendsassa

Marathonlegende Karl Platt lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Bei der Energie, die der 44-Jährige ehemalige Mountainbike-Profi aufbringt, ist das unmöglich.

Obwohl er 2020 seine Rennkarriere an den Nagel hängen wollte, steht er weiterhin bei den härtesten Marathon-Rennen der Welt an der Startlinie, jagt anspruchsvolle Uphill-Trails mit dem E-Bike im Boost-Modus hoch oder vertritt sich die Beine bei einer 400 km Rennrad-Fahrt – und das am Stück! Weitere Adrenalin-geladene Hobbies wie Rennauto- und Go-Kart-Fahren stehen auch noch auf der Liste. 

 „Wenn ich mal zwei Tage herumsitze, dann ist es viel.“ sagt Karl, der seit 15 Jahren für das Team BULLS fährt. Permanent geht es ums Gas geben, was ihm den liebevollen Spitznamen „das menschliche Atomkraftwerk“ verliehen hat. Und die Brennstäbe im Reaktor glühen noch immer: Erst vor ein paar Wochen stand er beim Cape Epic 2022 zusammen mit Teampartner Christoph Sauser wieder mal ganz oben auf dem Siegertreppchen. Zwar in der Masters Kategorie, aber trotzdem mit knapp 50 Minuten Vorsprung auf das nächste Team. Radsport ist für Karl ganz klar eine nicht wegzudenkende Lebenseinstellung. 

Karl Platt auf dem Mountainbike.

Die ersten Schritte im Mountainbike-Zirkus der 90er Jahre

Die ersten 10 Jahre seines Lebens wuchs Karl in Sibirien auf, 1988 erfolgte die Umsiedlung nach Osthofen, das nahe dem Rhein in Rheinland-Pfalz liegt. Die Liebe zum Radsport begann mit seinem ersten Bike, das man heute als „Baumarktrad“ bezeichnen würde. Karl merkte schnell, dass Radfahren genau das Richtige für ihn ist. Das Rad im Schaufenster des örtlichen Fahrradladens, an dem er sich jeden Morgen auf dem Weg in die Schule die Nase platt drückte, war sein Traum: Ein Koga Miyata mit „elevated chainstays“ für damals stolze 3.600 D-Mark.

Allerdings war das Geld bei der Familie Platt mit 6 Kindern nicht üppig vorhanden, also hieß es Zeitungen austragen, um sich, nachdem sein Baumarktrad geklaut wurde, ein neues, „richtiges“ Mountainbike leisten zu können. Beim Wälzen im Otto-Katalog wurde er fündig: Mit 13 Jahren bestellte er sich sein erstes richtiges Mountainbike - für 649 hart erarbeiteten D-Mark, 100 Mark gab’s von den Eltern noch dazu.

Seine Radkarriere begann dann in den 90ern, als der Mountainbike-Sport noch in den Kinderschuhen steckte. Die ersten Downhill-Wettkämpfe fanden in den Jahren 1992/93 statt. Er merkte schnell, dass das Potenzial in ihm steckte, an der Spitze mitzufahren und absolvierte 1994 seine erste komplette Saison. 

Der Aufstieg war steil, mit stetiger Unterstützung seines Förderers Christoph Listmann, der damals bei der Zeitschrift „Bike“ arbeitete. Karls eiserner Wille, seine unglaubliche Ausdauer im Training sowie im Rennen und die Lust ans Limit zu gehen vergrößerten den Vorsprung zur Konkurrenz. Mit 18 Jahren landete er bereits seinen ersten großen Erfolg: Junioren Downhill Meister.  Bei einem Sichtungsrennen in Münsingen wurde Karl Dritter. Die Performance überzeugte und er wurde direkt in die Nationalmannschaft aufgenommen.

Bis 2000 widmete er sich nur der Cross-Country Szene. So richtig explodierte seine Karriere dann in den 2000er Jahren, als er auch mit der Marathon-Disziplin begann. Ab dann fuhr er zweigleisig.

2002 gewann er zum ersten Mal die Transalp und das Bundesligarennen in Münsingen, da zeigte sich schon sein Talent. 2004 war dann der Gewinn seines ersten Cape Epic Rennen in Südafrika das Highlight, im selben Jahr kam die Transalp-Challenge dazu. Es folgten Siege in unzähligen weiteren Rennen mit hochkarätigen Starterfeldern. In nur kurzer Zeit war er ganz oben angekommen, Platt machte alle platt.

Sechs Jahre lang prägte er das Team Rocky Mountain-Xenofit. Doch im Jahr 2007 folgte der Wechsel: Mit dem Team BULLS entstand ein komplett neues Team.

Team-Bulls-Mountainbike-Ex-Profi Karl Platt in Aktion.

Gründung des Team Bulls

Doch wie begann das alles mit dem Team BULLS? Neben dem Radsport war Karl auch ein bekanntes Gesicht auf der Nordschleife. Öfters mit dabei war Gerrit Gaastra, damals neuer Berater der ZEG, zu denen auch die Bikes von BULLS gehören. Ihm stellte Karl seine Idee von einem brandneuen Team vor - eine Chance, das Sortiment von BULLS im High-End Bereich auszubauen. 

Gaarta stellte die Verbindung her, Karl durfte beim Vorstand der ZEG präsentieren. Dieser wollte Karl lediglich Trikot und Fahrrad zur Verfügung stellen. Doch Karl wollte richtig Gas geben, forderte selbstbewusst Teampartner, einen Mechaniker und die komplett Ausrüstung. Die überraschende Antwort vom ZEG-Vorsitzenden Honkomp: „Ja, Herr Platt, das hört sich gut an, dann fangen sie mal an.“ Das war der Beginn des Team BULLS mit dem Ziel, die Marke durch den Radsport salonfähig zu machen. Das, was damals im ersten Moment vielleicht vermessen klang, schlug sofort ein und der Erfolg ließ nichts zu wünschen übrig. Karl´s Fazit: „Manchmal muss man halt auch etwas riskieren“.

Es war das erste Mal, dass Karl sich in seiner Karriere nicht um alles selbst kümmern musste. Organisiert vom neuen Team Manager Friedemann Schmude gab es jetzt vollen Support und vor allem: Das richtige Material. Die Teamfahrer waren stark in die Produktentwicklung eingebunden, gaben Geometrien vor und konnten Rahmen und Anbauteile ihrer Rennmaschinen ganz nach ihren Vorstellungen gestalten. 

Das Team stand, jetzt galt es abzuliefern. „Wir hatten die Latte so hoch gehängt. Das war schwer zu toppen.“ Doch keiner hatte mit solch einem Start gerechnet. Das legendäre Cape Epic in Süfafrika, auch genannt die Tour de France des Mountainbikens, gewann Platt mit Teamkollege Sahm im Sprint. Es folgten Siege in der Transalp Challenge und Transgermany. Damit war klar: Dieses Team ist für Großes geboren. 15 Jahre später können Karl und seine Teamkollegen auf eine überaus erfolgreiche Teamgeschichte zurückblicken.

Karl Platt (Team Bulls) im Ziel.

Siege & Niederlagen

Doch wie geht einer wie Karl mit Niederlagen um? Er erzählt von der WM 2005 in Lillehammer in Norwegen. Er war in Topform und sich sicher, ganz oben auf dem Podium zu landen.

Er war damals mit Thomas Frischknecht in einer dreiköpfigen Spitzengruppe, die sich früh absetzte. „Frischi“ gab Jahre später zu: Ja, das Ding hätte Karl gewonnen, er war der Stärkste damals. Doch sein Kollege Bart schleuderte aus Versehen einen Stein direkt zwischen Rahmen und Reifen, ein Plattfuß riss Karl aus dem Rennen. Damit war es gelaufen: Karl versuchte noch, Reifen und Schlauch notdürftig zu reparieren, aber aufholen konnte er nicht mehr. Trotz des Malheurs landete er immerhin noch auf dem 6. Platz.

Dieses Erlebnis ging ihm noch eine Weile nach, doch er ist stets positiv gesinnt: „Zwar ärgert man sich über solche Enttäuschungen, es fliegen kurz die Fetzen, aber dann gilt’s: Weitermachen!“ 

Im Grunde ist er ein Optimist und auf Niederlagen können eben auch wieder schöne Siege folgen. Und Siege hat der Ausnahme-Marathon-Fahrer einige vorzuweisen: 5-facher Rekordsieger des Cape-Epic-Etappenrennens, 7-facher Transalp-Sieger, mehrfacher Deutscher Marathon Meister –  nur um ein paar zu nennen. 

Team-Bulls-Fahrer Karl Platt auf dem Mountainbike

Training

Obwohl Karl nicht mehr ganz in der Mitte des Renngeschehens steht, trainiert er weiterhin mehrfach die Woche, wenn auch nicht so intensiv wie früher. Das Radfahren hat ihn nicht losgelassen und heute trainiert er sogar weitaus strukturierter.

Früher waren Karl´s Trainingspläne eher ein Produkt seines Bauchgefühls, ein gezieltes Coaching hat für ihn nicht funktioniert. Er gab einen groben Plan vor, einen roten Faden, aber wenn er sich nicht gut fühlte,  pausierte er auch mal statt voll durchzutreten „Das Gefühl wird die Wissenschaft immer schlagen, weil wir keine Maschinen sind“, meint er. Trotzdem kamen zu seinen Hochzeiten knapp 30.000 km im Jahr zusammen, mehr als wohl die meisten Normalsterblichen im Jahr mit Rad, Auto und Bahn schaffen. 

Doch es muss nicht immer Mountainbike und Marathon sein. Manchmal vertritt  er sich die Beine auch auf dem Rennrad. Mit einem guten Freund fährt er dann von der Pfalz bis nach Frankreich. Danach stehen dann schon einmal 400 Kilometer auf dem Tacho. Um 6:00 Uhr morgens geht es los, nach einer kleinen Pause in Frankreich bei Kilometer 200 dann auf die Rückreise. Unfassbar! Mit on Tour ist natürlich immer die SHIMANO Di2, von der er voll und ganz überzeugt ist. Diese nutzt er auch am Mountainbike und bei Rennen.

Karl Platt, Ex-Mountainbike-Profi im Wald.

Karl Platt, der E-Bike-Begeisterte

Das E-Bike wird von der Allgemeinheit gut aufgenommen, im Profi-Sport ist das allerdings so eine Sache. Es gibt Mountainbiker, die niemals „E“ fahren würden. Doch solch ein Purist ist Karl nicht. Ihm geht es eher darum, alles einmal auszuprobieren.

Drei E-Bikes gehören zu seinem beachtlichen Fuhrpark an Fahrrädern. Und wenn man hört, wie begeistert Karl davon erzählt auf der stärksten Stufe einen Berg hochzujagen, kann man definitiv sagen, das Karl E-Bike begeistert ist. „Wenn Du ein E-Bike hast, musst du maximal Vollgas hochhämmern. Das ist ja das Geile. Treten, treten, treten.“ So kann er seine Liebe zum Downhill voll ausleben, ruckzuck ist er mit dem E-Bike wieder auf dem Berg und kann Trails dreimal so oft fahren. 

Überhaupt glaubt er, dass das E-Bike-Fahren bleiben wird. Die „Puristen“ werden vielleicht nicht aufs E-Bike umsteigen, aber es kommen eben viele dazu, die sonst gar nicht Radfahren würden. Karl bewertet das alles als positiv.

Karl Platt auf dem E-Mountainbike
Karl Platt bei der Siegesfeier

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